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Heimathafen

Ich hatte schon immer ein schlechtes Gedächtnis.
Nichts kann ich mir wirklich merken,
das Erinnern fällt mir schwer.
Gestern hab ich’s noch erlebt,
heute weiß ich es nicht mehr.
Von den wunderschönen Plätzen,
die ich schon vor Jahren sah,
sind im Album meines Kopfes
kaum noch Urlaubsfotos da.
Doch es gibt da einen Ort,
den wohl niemand je vergisst,
der für jeden einzigartig
und was ganz Besonderes ist.
Einen Ort, wo man sich wohlfühlt
und man jeden Winkel kennt,
dem ein Zauber innewohnt,
den man sein Zuhause nennt.
Denke ich darüber nach,
kommt mir stets diese Idee,
die mich wieder lächeln lässt:
Meine Heimat ist der See.
Hier kann ich mich selbst verlieren,
jeden Tag zu jeder Zeit.
Tauche ein in deine Seele,
schwimme in Geborgenheit.
Hier hab ich die Bank am Ufer,
wo ich immer stranden kann.
Wenn mich deine Wellen wiegen,
fängt für mich die Ruhe an.
Und hier bin ich aufgewachsen,
wo die Bootshäuser noch stehen.
War mein Leben lang nur hier –
deshalb muss ich nun auch gehen.
Denn es zieht mich in die Ferne,
bis zum wilden, weiten Meer,
ich will so viel mehr erleben.
Fällt mir auch der Abschied schwer,
brech‘ ich auf zu neuen Ufern,
neue Reise, neues Glück.
Doch was man im Herzen trägt,
lässt man niemals ganz zurück.


Und so setze ich die Segel,
ohne Kurs und ohne Ziel.
Meine Träume sind die Karte
und mein Kompass heißt „Gefühl“.
Es ist ein Sprung ins kalte Wasser,
doch ich will ihn gern riskieren
denn wer weiß schon jemals sicher,
welche Wenden noch passieren?
Ich möcht’ das Ruder übernehmen,
ohne Reue und Bedenken.
Will mein Schiff mit sich’rem Steuer
durch den Sturm der Sorgen lenken.
Vielleicht bin ich nicht so tapfer
wie Fontanes Steuermann.
Vielleicht warten dort Gewässer,
die ich nicht bezwingen kann.
Es gibt keine Garantie,
dass man immer richtig fährt,
aber selbst der schlimmste Schiffbruch
ist auch manchmal noch was wert.
Denn wer niemals wirklich scheitert,
hat auch nie wirklich gelebt.
Nur durch Misserfolge lernt man,
dass die Welt sich weiterdreht.
Und so lichte ich die Anker,
werf’ die Zweifel über Bord,
ganz egal, wo ich nun strande,
neue Orte warten dort.
Neue Inseln, neue Menschen
und vielleicht sogar ein Schatz:
eine neue Bank am Ufer
und ein neuer Lieblingsplatz.
Damit ich all das nicht vergesse
und Erinnerungen bleiben,
werde ich es ganz genau
in der Flaschenpost beschreiben.
Irgendeiner wird sie finden,
liest sie durch und lacht sich tot.
Wenn er ehrlich zu sich selbst ist,
sitzen wir im selben Boot.
Jeder von uns möchte reisen
in die ferne, weite Welt,
aber sucht am Ende doch nur
einen Hafen, der ihn hält.
Dieser Hafen nennt sich Heimat,
heißt Zuhause oder Glück,
und man trägt ihn immer bei sich,
lässt ihn niemals ganz zurück.
Denn das ist mehr als nur ein Ort,
als ein schlichtes Reiseziel,
es sind wundervolle Menschen
und das größte Glücksgefühl.
Alles könnte ich vergessen,
doch egal, wohin‘s mich treibt:
meine Heimat ist der See
und ich weiß, dass er es bleibt.

Juliane Vogler

Klasse 11