Da wird der Wolf in der Pfanne verrückt
Da wird der Wolf in der Pfanne verrückt
„Da kommt sie ja endlich!“, ich drücke meine Freundin zum Abschied und steige in die Bahn ein. Hier noch ein Luftkuss und noch ein mal winken, da geht die Fahrt auch schon los. Es dauert nicht lange, gleich an der nächsten Station hält die Bahn schon wieder, ich sehe aus dem Fenster.
„Ist das ein Wolf ?!“ , höre ich ein paar Sitze weiter, im selben Moment, als ich es gerade gedacht habe und runzele die Stirn. Nun wandern alle Blicke auf die Haltestelle. Die Türen gehen auf, eine tiefe, trotzdem angenehme und sympathische Stimme fragt mich: „Ist dieser Platz noch frei?“. Ich muss gucken wie ein Auto und überlege gleichzeitig, was ich zuvor getrunken und gegessen habe. Ist das wirklich ein Wolf, der sprechen kann? Ich meine, ich kenne Bücher, in denen Kängurus sprechen können, aber ein Wolf? Wer kommt denn auf so eine Idee. Lautlos nehme ich meine Tasche auf meinen Schoß. Soll ich ihn jetzt ansprechen, oder sollte ich lieber meinen Mund halten, den Notruf rufen, weil ich jetzt Halluzinationen habe. Um die peinliche Stille zu durchbrechen sag ich: „Ähm…äh…Hallo“. Wow jetzt ist es wirklich weniger peinlich. Er antwortet mit : „Oh guten Tag, wie geht es ihnen?“, „Ja doch, eigentlich ganz gut und Ihnen?“, antwortete ich. „Etwas müde, ich komme von der Arbeit .“ So sieht er auch aus: gepflegt, gut angezogen und eben so, als würde er ein schicken Beruf ausüben. „Und was ist mit Ihnen? Und bitte sagen sie jetzt nicht, dass sie zu ihrer Großmutter wollen, der ist schon sehr alt .“ Eigentlich ist das auch gar nicht lustig, aber in dem Moment muss ich mir echt das Lachen verkneifen. „Ich will nach Hause und komme gerade von einer Freundin.“ Unauffällig suche ich einen Reißverschluss, reibe mir meine Augen und kneife mir selbst in die Seite. Ich meine, die anderen sehen ihn ja auch, probiere ich mich innerlich zu beruhigen. Es folgt der übliche Smaltalk. Die Bahn beschleunigt und es klappert in seiner Tasche. „Ich weiß, es geht mich nichts an, aber was haben sie denn da drin?“ „Wie wäre es, wenn ich mich erst einmal vorstelle? Ich heiße Rolf.“ Er dreht sich um und sorgt dafür, dass pubertierende 8. Klässler aufhören ständig „Rolf der Wolf“ zu wiederholen und hält mir die Pfote entgegen. „Angenehm, ich heiße Emma“, ich fühle mich jetzt irgendwie verpflichtet, ihm ein Leckerli zu geben. Rolf greift nach seiner Tasche, es ist ein Jutebeutel und ich bin mir nicht sicher, ob es mir sympatisch ist, dass es ein Jutebeutel und keine Plastiktüte ist oder ob er nur ein Möchtegern Hipster ist. Egal, er holt einen Rotkäppchen – Wein und alle Teile von Twilight raus, in so einer schicken Sammelbox. Ich hab mir gespart, über den Rotkäppchen- Wein zu reden und frage: „Du guckst Twilight?!“. Er „TEAMEDWARD WUUUUUU! “. Und schon wieder starrten uns viele Menschen an. „Ich wollte mir ein Filmabend machen. Ich hab morgen frei. Man gönnt sich ja sonst nichts“ „Wie, du bist T-Edward? Ich meine immerhin bist duuu…“, hab ich das jetzt wirklich gesagt, „Sprich es ruhig aus“, unterbricht mich Rolf. „Nee, jetzt wo ich es fast gesagt habe, kommt mir es irgendwie rassistisch vor“ Rolf lacht: „Ach was, das war eine berechtigte Frage, ich meine, ich habe eine Flasche Rotkäppchen dabei und du hast nichts gesagt, glaub mir, das war gar nicht so einfach, sie zu kaufen. Verstehst du, es gibt Flachwitze und Vorurteile. Ich bin zwar ein Wolf, aber ich habe noch nie ein kleines, naives Mädchen gegessen, das dazu noch eine rote Kappe trägt. Wie unwahrscheinlich ist das den bitte? “ Rolf wird mit jedem Vorurteil lauter, entsetzte und ängstliche Blicke durchlöchern uns. Derweil würde ich mich gerade gern selbst hauen, hätte ich doch nur mal weggeschaut. „Ich hab noch nie Kreide gegessen, hab auch nie vorgehabt 7 Geißlein auf einmal zu essen, bin noch nie einfach durch ein offenes Tor in einen fremden Garten gelaufen, Häuser umpusten aus Stroh, das ist doch …“, „OK, alles in bester Ordnung, ich glaube nichts davon, das sind doch nur alberne Märchen“, sag ich mit einer wegwerfenden Handbewegung und hoffe, dass er wieder leiser wird, er merkt, dass er laut geworden ist und verstummt. „Es tut mir sehr leid, manchmal spricht der *Böse Wolf * aus mir.“, sagt er und lächelt, „Halb so wild, aber du hast mir meine Frage von vorhin nicht beantwortet.“ Er erklärt mir, dass Werwölfe nur cool sind bei Vollmond und dass Edward ja sowieso viel heißer ist und so. Wir unterhalten uns weiterhin über Filme und Serien. Doch dann hält die Bahn und Rolf meint: „Da muss ich raus.“ Ich wünsche ihm noch viel Spaß beim Filme gucken und bedanke mich für die interessante Fahrt. Ich winke ihm nach, bis ich ihn nicht mehr sehen kann, drehe mich noch ein paar mal um auf der Suche nach Kameras, finde aber keine und genieße die weitere Fahrt nach Hause.
Emma Albrecht
Klasse 9a