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Krakau ist immer eine Reise wert

wer in der Adventszeit das besondere Flair von Weihnachtsmärkten liebt und genug Zeit hat, dem sei ein Besuch des Marktplatzes von Krakau empfohlen, auf 40.000 Quadratmetern findet der vorweihnachtlich gestimmte Besucher alles, was das Herz begehrt.

Aber natürlich bietet die altehrwürdige ehemalige Residenz der polnischen Könige auch im Rest des Jahres eine Menge an Sehenswertem und ist allemal eine Reise wert.

Davon überzeugten sich 10 Schülerinnen, die in Begleitung von Frau Schütte und Herrn Müller im Herbst eine einwöchige Exkursion in die Stadt an der Weichsel unternahmen.

Die Größe und Zusammensetzung der Reisegruppe ergab sich aus der Tatsache, dass die mitfahrenden Schülerinnen über Jahre aktiv beim Debating oder/und im Literaturblog tätig waren und so kann der Ausflug ins Nachbarland Polen durchaus auch als Anerkennung für die geleistete Arbeit der Mädchen verstanden werden.

Ausgangspunkt für unsere gemeinsame Unternehmung war der Bahnhof Neustadt. Hier begann am 14.10.2024 die Reise, natürlich gleich mit einer Verspätung, aber das hatte Frau Schütte in weiser Voraussicht schon eingeplant, sodass wir den Eurocity vom Ostbahnhof problemlos erreichten und in der Folge die angenehmen Seiten einer Zugfahrt auf reservierten Plätzen mit pünktlicher Ankunft am Zielort genießen konnten. Unbedingt erwähnenswert ist die Tatsache, dass wir während der Fahrt noch eine interessante Begegnung mit einem Ingenieur aus Malaysia hatten, der für einen großen deutschen Autohersteller beruflich unterwegs war und sich deutlich erfreut zeigte, mit einigen von uns eine Konversation auf Englisch führen zu können. Na, Reisen bildet und „die Welt ist ein Dorf“ 😊.

Dank moderner Kommunikationstechnik und der Fähigkeit Sophias, damit umzugehen, gelangten wir problemlos zu unserem Hotel. Der Weg in die Herberge erwies sich schon als etwas komplizierter, aber schließlich war auch dieses Problem gelöst und nach einem improvisierten Abendbrot ging es in die Kojen.

Der Dienstag hielt gleich morgens eine Überraschung für uns bereit. Wo sollten wir eigentlich frühstücken und in welcher Richtung befand sich der „Frühstücksraum“? Wir brauchten ein paar Minuten, um unser Café zu finden, wurden dann aber mit einem wirklich leckeren „Einstieg in den Tag“ belohnt. Das sollte sich übrigens an jedem Tag der Woche wiederholen und am Abreisetag bekam jede(r) von uns ein Lunchpaket, das die Bezeichnung auch verdiente, mit auf den Weg. „Super Service!“, kann man da nur sagen.

Tag 2 unserer Exkursion war der Krakauer Altstadt gewidmet. Wir besichtigten einen der größten Marktplätze Europas, bummelten durch die bekannten Tuchhallen, hörten und sahen den Turmbläser der Marienkirche und durften Zeugen sein, als der berühmte Veit Stoß Altar im Inneren der Kirche geöffnet wurde. Dieses Ritual erfolgt einmal täglich und wird immer gut besucht. Nicht nur von Gläubigen, auch von Touristen wie uns.

Nach einer Mittagspause führte unser Weg an der Kirche ST. Peter und Paul vorbei zum Wawel, einer Burganlage, die bereits im Mittelalter entstanden war und den polnischen Königen als Residenz diente. Das 15. Und 16. Jh. gilt als das „goldene Zeitalter“ Krakaus, das erkennt man deutlich an den prachtvollen Bauten, die den Wawel zieren und die uns ziemlich beeindruckten. Aber der Wawel legt nicht nur Zeugnis ab von der Zeit, als Krakau ein europäisches Zentrum für Handel, Wissenschaft und Kunst war. Ab 1939 trieb der „Generalgouverneur“ Hans Frank, ein von Hitler eingesetzter Nazi, sein Unwesen am Ufer der Weichsel. Von der polnischen Bevölkerung wurde Frank „der Schlächter von Polen genannt“, er war mitverantwortlich für die Deportation und Ermordung hunderttausender Menschen in seinem Machtbereich. Doch dazu an anderer Stelle mehr.

Den Rest des Nachmittags verbrachten wir individuell, sozusagen auf eigenen Wegen und diese führten ein paar von uns auch ins Foltermuseum. Manchmal ist es ganz angenehm im 21. zu leben und nicht im 10. Jh. 😊

Wir ließen den Abend mit dem Besuch eines Konzerts in der Peter u. Paul Kirche im wahrsten Sinne des Wortes ausklingen und fielen müde, aber voller erster Eindrücke in unsere Betten.

Wer die Großstadt im Süden Polens besucht, der sollte sich bewusst machen, dass etwa eine Autostunde entfernt das größte Vernichtungslager, das die Nazis errichtet hatten, als Mahn und Gedenkstätte an die über eine Millionen dort ermordeter europäischer Juden, Sinti und Roma sowie alle anderen Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passten, erinnert.

Also starteten wir zu einer Tagesexkursion nach Auschwitz-Birkenau unter der Leitung einer freundlichen Frau, die uns in Krakau in Empfang nahm und schon während der Busfahrt einige notwendige Informationen für den Besuch der Gedenkstätte an uns weitergab.

Nach der Ankunft bahnten wir uns einen Weg durch die Sicherheitskontrollen und schon, als wir das Lagertor von Auschwitz I passierten, auf dem der zynische Spruch „Arbeit macht frei“ zu lesen ist, breitete sich ein kaum zu beschreibendes Gefühl in jedem von uns aus, das keinen während unseres ganzen Aufenthalt dort mehr verlassen sollte. Wie mag es den Menschen gegangen sein, die damals dieses Tor passieren mussten und wie vielen blieb eine Rückkehr verwehrt. Der Holocaust forderte über 6 Millionen Menschenleben, über 1 Millionen starben in Auschwitz-Birkenau.

Wir folgten unserer Begleiterin durch die einzelnen Baracken, in denen durch Texte, Bilder und authentische Gegenstände veranschaulicht wurde, welches Grauen hier einst stattgefunden hatte. Tränen flossen, als wir durch die Räume der gesammelten Koffer, Schuhe, Brillen, ja sogar Haare schritten, die sich teilweise bis zur Decke stapelten.

Auch im Todestrakt mit seinen Stehzellen, Exekutionskammern, der Erschießungswand verschlug es uns mehr als einmal die Sprache. Raum für Raum, Baracke für Baracke wuchs der Schock, wuchs die Empörung und die Trauer über das Geschehene.

In der Abenddämmerung kamen wir dann nach Birkenau. Auf 5 Quadratkilometern waren zeitweise 200.000 Häftlinge „untergebracht“, die sich für „Führer und Volk“ zu Tode arbeiten mussten. Diejenigen, die die SS-Ärzte für nicht arbeitsfähig hielten (Mütter mit Kindern z.B.), traten nach ihrer Ankunft auf der Rampe in Birkenau sofort ihren Weg in die Gaskammern an. Was wir im Licht der untergehenden Sonne sehen bzw. erahnen konnten. erschien uns teilweise so irreal, so unvorstellbar, dass es uns den Atem verschlug.

Überwältigt von den Eindrücken stiegen wir in den Bus, der uns zurück nach Krakau brachte. Abends im Hotel besprachen wir alle gemeinsam, was wir an diesem Tag gesehen hatten und wir waren uns einig, dass es gerade in der heutigen Zeit unbedingt notwendig ist, die Erinnerung an das schier Unvorstellbare wach zu halten, um eine Wiederholung dieser Gräuel ein für alle Mal zu verhindern.

Der Donnerstag war dem Erforschen des jüdischen Lebens in Krakau gewidmet. Fast jeder kennt den Film „Schindlers Liste“, wir waren am Originalort, das heißt, wir besichtigten die Fabrik Oskar Schindlers, in der sich heute ein Museum befindet, das sich mit der Geschichte von Krakau in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt. Hier kamen uns (gem. sind die Mädchen u. Frau Schütte 😊) unsere Englischkenntnisse sehr zu Pass, die sehr informative Führung war nämlich in eben dieser Sprache.

Anschließend sahen wir uns in Kazimierz, dem historischen jüdischen Viertel von Krakau, um. Das kreative Kazimierz ist eine Fundgrube für jeden kunst- und kulturinteressierten Besucher. Wir schauten uns die älteste erhaltene Synagoge an, schlenderten durch die pittoresken Gassen des Viertels, wo einige von uns noch Mitbringsel für die Lieben zuhause erwarben und ließen den Abend bei einem gemeinsamen Essen (wer wollte, auch koscher) in gemütlicher Runde ausklingen.

Gekrönt wurde der Abend durch eine Überraschung, die den mitreisenden Lehren von den Mädchen gemacht wurde und über die sich beide natürlich auch sehr gefreut haben. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle noch mal an euch, Mädels 😊!

Im Hotel war dann Koffer packen angesagt, am Freitag ging es wieder nach Hause. „Ging“ ist ein schönes Stichwort, alle Ausflüge innerhalb Krakaus absolvierten wir zu Fuß, sodass alle Beteiligten am Tag auf circa 20.000 Schritte kamen. Geschadet hat es uns nicht und der überwiegend guten Laune tat das auch keinen Abbruch.

Der Tag der Rückfahrt hielt dann noch eine „kleine Überraschung“ für uns bereit. 30km vor der Grenze endete der Zug, weiter ging es im Schienenersatzverkehr, hier waren Geduld, Humor und Teamgeist gefragt. Über alle drei Eigenschaften verfügte unsere kleine Reisegruppe und zeigte sich komplett resilient.

Anzumerken wäre noch, dass der Text auf der Grundlage des Reisetagebuches entstanden ist, das von den Schülerinnen fleißig geführt wurde und so dem Verfasser die Möglichkeit bot, die Informationen in einem Text zu bündeln. Dankeschön dafür!

Allen, die beim Lesen des Textes bis hierhin „durchgehalten“ haben, ein besinnliches Weihnachtsfest und ein frohes und gesundes Jahr 2025.

Andreas Müller, Geschichtslehrer