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Das Ziel ist der Weg

Ich hab manches zu erzählen,

doch nur halb so viel zu sagen.

Ich hab einiges gelernt,

doch das Doppelte zu fragen.

Ich hab jede Menge Träume,

aber schlafe oft nicht gut.

Ich hab viel Zufriedenheit,

doch selbst davon nie genug.

Ich hab schon immer alles,

aber niemals aufgegeben.

Ich hab keinen Grund zu warten,

und noch so viel zu erleben.

Deswegen.

Genau deswegen will ich wandern,

nichts und niemand hält mich auf.

Fragt ihr mich „Wohin des Weges?“

Sag ich lächelnd: „Hoch hinaus!“

Denn dort stehe ich am Berg,

trete ihm auf seinen Fuß,

staune ehrfürchtig nach oben

und ich heb’ den Hut zum Gruß.

Mit der Zuversicht im Herzen,

das für meine Ziele schlägt,

wird die Hoffnung bald zum Willen

und wo ein Wille, ist ein Weg.

Unterwegs.

Unterwegs zur letzten Krönung,

durch den Wandel der Natur,

bis zu jenem Gipfelkreuz

mit dem Namen „Abitur“.

Denn dort oben an der Spitze

möcht’ ich eines Tages stehen.

Und wer wirklich hoch hinaus will,

muss die steilsten Strecken gehen.

Pfade voller großer Felsen,

wo kein Wegweiser mehr steht,

ausgewaschen von Gewittern

und mit Wurzeln übersät.

Ohne Netz oder Geländer,

dass dich auffängt, wenn du fällst.

So schmal und dicht am Abgrund,

dass dich eigentlich nichts hält.

Doch die Abkürzung wirkt sicher

und was spricht denn auch dagegen?

„Finde deinen eignen Weg“,

ist ja das, was alle reden.

Von Wegen!

Von wegen Abkürzung,

die geht oft nach hinten los.

Wenn du merkst, du läufst bergab,

fühlst du dich noch halb so groß.

Niemand schenkt dir deine Route,

niemand zeichnet dir den Plan.

„Finde deinen eignen Weg“ –

leicht gesagt und schwer getan.

Ich folge meinem Holzweg,

bis er sich im Sumpf verliert.

Fast schon muss ich dabei lächeln,

weil mir das so oft passiert.

Wenn du knöcheltief im Moor stehst,

steck den Kopf nicht in den Sand…

kommt ein Wanderer des Weges

und er reicht dir seine Hand.

Ja, ich habe mich verirrt,

bin da wohl falsch abgebogen.

Dreh mich um und gehe weiter,

viele Wege führen nach oben.

Also lass dich nicht beirren

ganz egal, „was alle reden“.

Reden hört man sie genug,

nur man sieht sie nichts bewegen.

Manchmal lohnt sich auch ein Umweg,

um in seiner Spur zu bleiben.

Ich sag: „Suche einen Weg

und mach ihn dir zu eigen“.

Und da ist noch Luft nach oben,

fehlt auch langsam mir die Kraft,

doch die wunden Füße flüstern:

„Geh nur weiter, fast geschafft.“

Und ich renn’ die letzten Meter,

die mein Wille mich noch trägt,

fast so schnell zum Gipfelkreuz,

wie mein Herz jetzt grade schlägt.

Unentwegt,

schlägt es und schlägt,

ganz aufgeregt,

bebt es und lebt…

Einmal nur ganz oben stehen

und zur Welt hinuntersehen,

mit beiden Beinen fest im Leben

über allen Wolken schweben.

Endlich hier am höchsten Ziel,

Himmel, was für ein Gefühl!

Nichts als grenzenlose Weite,

nichts als Stille ringsherum.

Steh mir selbst nicht mehr im Weg

und ich schau mich staunend um.

An dem schweren, steilen Aufstieg

führt so oft kein Schritt vorbei.

Umso leichter geht man oben,

plötzlich grenzenlos und frei.

Die Höhenluft raubt mir den Atem,

auch den letzten Zweifelshauch.

Wenn ich träume, lasst mich schlafen,

nur wenn’s wahr ist, weckt mich auf.

Der Ausblick ein Gemälde,

das in bunten Farben strahlt

und ein unbekanntes Leuchten

schwungvoll in den Himmel malt.

Alles, was da unten schiefgeht,

wird dort oben unscheinbar,

nur das Wichtige wirkt größer,

scheint hier ganz besonders klar.

Fragt ihr mich: „Wohin des Weges?”

Sag ich leise lächelnd: „Weiter.“

Und der Grund für diese Antwort,

das sind meine Wegbegleiter.

Denn immer, wenn ich denke,

dass es nicht mehr weitergeht

und ich mich im Sumpf verirre,

dann lauft ihr mir über’n Weg.

Ihr fangt mich, wenn ich falle,

lindert jede Sturzgefahr.

Hier mit euch auf meinem Gipfel

fühl ich mich dem Himmel nah.

Und dir.

Eine Wolke formt dein Lächeln

und ein Vogel singt dein Lied,

und die Sterne können lachen,

weil es dich da oben gibt.

Deine Reise ging nicht lange,

viel zu kurz war unser Weg.

Aber niemand kann verlieren,

was er immer bei sich trägt.

Ich hab vieles zu erzählen,

hab schon einiges erlebt.

Und es schläft sich umso besser,

wenn man seine Träume lebt.

Ich hab viel dazu gelernt,

manche Fragen sind geblieben,

doch ich geb’ noch immer alles

und bin damit längst zufrieden.

Aus den spröden Schotterpisten

wird die schönste Wandertour.

Nur wer andre Routen nimmt,

hinterlässt auch eine Spur.

Eine Spur im harten Felsen,

die ein Herz aus Stein berührt.

Eine Spur in Zickzacklinien,

die bis ganz nach oben führt.

Vorbei an bösen Blicken

und an Sprüchen voller Neid,

wenn man dicht genug ans Ziel kommt,

ist die Eifersucht nicht weit.

„Wer hoch fliegt, der kann tief fallen“,

rufen sie – mach dir nichts draus.

Wenn sie hinterm Rücken reden,

bist du ihnen längst voraus.

Fast schon über alle Berge,

dank ich noch den Reiseleitern.

Wegbereiter, die uns lehrten,

nicht zu bremsen, wenn wir scheitern,

und auch dass es nicht drauf ankommt,

dass man alles gleich versteht,

sondern auf den Mut zu fragen,

denn dann weisen sie den Weg;

mit Herz, Verstand und Seele –

das ist mehr als ihr Beruf.

Oder wie ich es gelernt hab:

was man gerne, tut man gut.

Und ich heb’ den Hut zum Abschied

winke noch ein letztes Mal,

räum die Steine aus dem Weg

und folge ihm ins nächste Tal.

Wer hoch fliegt, der kann tief fallen,

zum Beispiel geradewegs ins Glück.

Alles das, was vor dir liegt,

lass es hinter dir zurück.

Es ist nicht wichtig, wo du langläufst,

sondern, dass du weitergehst.

Du musst nur wissen, wo du hinwillst,

denn das Ziel ist doch der Weg.

Juliane Vogler