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Auf den Spuren Bertolt Brechts

Auf den Spuren Bertolt Brechts

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“ Wie oft hört man in seinem Leben diesen Satz? Er klingt irgendwie provozierend und herausfordernd. Gleichzeitig aber auch spannend. Nicht viele Menschen haben den Mut, Sachen zu sagen, die sich sonst keiner traut auszusprechen… Das war ganz klar eine Eigenschaft Bertolt Brechts, die viele seiner Weggefährten beschreiben. Brecht war einer der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts und einer der wichtigsten deutschen Exilliteraten. Das Zitat zeigt, wie sehr das Exil ihn geprägt hat, aber dass er sich trotzdem nie davon unterkriegen ließ. Brecht war einfach etwas besonderes. So einfach verstehen konnte man ihn sicherlich nie.

Am 16. Oktober hatte der Jahrgang 12 des Gymnasiums Friedrich Ludwig Jahn Kyritz die Möglichkeit, eben jenen außergewöhnlichen Mann ein wenig kennenzulernen. Wir machten eine Exkursion nach Berlin und besuchten das Brechthaus und das Berliner Ensemble. Auf ganz besondere Art und Weise berichteten uns zwei Personen von dem deutschen Exilliteraten.

In vielen Jahren seines Lebens arbeitete Brecht in Berlin, der Metropole des Deutschen Reiches, in die er in den 20ern mit seiner Familie zog. Hier lernte er die erfolgreiche Schauspielerin Helene Weigel kennen und lieben. Mit ihr lebte er nach der Rückkehr aus dem jahrelangen Exil in dem Haus, das wir uns anschauten.

Trotz seines großen Durchbruchs als Dramatiker und Regisseur passte Brecht nicht in das Systems des NS-Regimes. Die Nazis stören mehrere Vorstellungen. Schließlich verlässt die Familie Brecht das Land am 28. Februar 1933 und lebt bis 1947 unfreiwillig im Exil. Obwohl die Zeit des Exils Brecht teilweise inspirierte und er viele bedeutsame Werk in dieser Zeit schrieb, war Brecht einsam. Er brauchte für sein Schaffen immer Leute um sich, die ihn verstanden. Er war ein Kollektivarbeiter. Und nun war er alleine mit Frau und Kindern und konnte sein wichtigstes Werkzeug, die Sprache, nicht mal einsetzten.

Schließlich zog er 1947 nach Ost-Berlin in die DDR. In seinem beschaulichem, niedlichen Häuschen wurden wir von einer jungen Frau herumgeführt, die sehr von Brecht fasziniert war. Wie vieler seiner Zeitgenossen konnte sie uns nichts Schlechtes über ihn erzählen. Kleine Anekdoten aus dem Leben der Familie, persönliche Macken Brechts und sein Fundus an Literatur, der völlig durchmischt war, wurden uns nett und unterhaltsam vermittelt. Da wurde Brecht für mich wirklich zu einer Person, die lebte und mich inspirieren kann. Er war nicht mehr nur eine historische Figur des Unterrichts.

Verstärkt wurde das Gefühl, als wir im Berliner Ensemble waren. Ein alter Mann erwartete uns, der mich selbst irgendwie an Brecht erinnerte. Er war Schauspieler unter Bertolt Brecht und seit vielen Jahrzehnten im Berliner Ensemble tätig. Dieser Mann konnte uns aus erster Hand berichten, wie Brecht und Weigel „drauf waren“. Er erzählte, dass Brecht ihn immer mit hoher, mickriger Stimme den „Rothaarigen“ nannte und „die Weigel“ die knallharte Managerin der Einrichtung war. Brecht war der kreative Kopf, der kleine Brillante, der Sonderling. Sie war eine starke, große Frau mit tiefem Alt, die ihm trotz all seiner Affären immer den Rücken freihielt. Später sang der nette Herr noch „Die Moritat von Mackie Messer“ und bestärkte mich in meiner anfänglichen Assoziation: Zu einem Jubiläum musste er einmal Bertolt Brecht spielen und wurde wirklich für realistisch gehalten.

An diesem Tag haben wir viel Neues erfahren, viel gelacht und geschmunzelt und auch viel nachgedacht über den bedeutendsten deutschen Exilliteraten.

Eins ist klar: In all den Jahren, die Schüler ihn noch behandeln werden, wird Bertolt Brecht sie wie uns immer wieder schockieren, verstören, belustigen oder anregen. Die Meinungen über ihn werden immer polarisierend sein. Und es wird immer Neues hinzukommen. Möglicherweise hat er es so gewollt. Das letzte Wort über Bertolt Brecht ist ganz sicher noch nicht gesprochen.

Miriam Frisch

Bildquelle: http://www.berliner-ensemble.de/img/haus_1_pic_07_big.jpg (10.12.2015; 20:11)