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Mein Leben mit der Angst – 1. Kapitel

Der Wecker klingelte und riss mich aus dem Bett. Sechs Uhr morgens. Wie wenig hatte ich nur wieder geschlafen? 3 Stunden? Naja egal, Hauptsache den Tag hinter mich bringen und so wenig wie möglich auffallen. Langsam setze ich einen Fuß auf den kalten Boden meines Zimmers. Und schwupp! Schon war er wieder unter meiner dicken Federdecke vergraben. „Los jetzt! Früher oder später musste ich eh aus meinem Bett,”sprach ich mir leise zu.Als ich dann endlich davor stand, hielt ich einen Moment inne. Mir war schlecht. Mein Magen fühlte sich an, als wäre ich gerade aus einer Achterbahn mit 5 Loopings gestiegen. Oh Gott, war mir schlecht, aber ich kann mir jetzt nicht noch erlauben, kurz vor der Klassenarbeit krank zu machen. Das ging nicht und das wusste ich auch. Also zwang ich mich, mir die Zähne zu putzen, mich anzuziehen, mir die Haare zu machen und wenigstens eine Kleinigkeit zu essen. Die “Kleinigkeit” war so klein, dass davon nicht einmal eine Maus satt geworden wäre.

Hätte meine Mutter das gesehen, dann…, ich will mir lieber nicht denken, was dann für ein Donnerwetter auf mich gewartet hätte. Aber, sie war nicht hier und was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.

Oh, schon 6:30 Uhr. Mein Bus kommt ja gleich. Keine Ahnung, was ich in den letzten 10 Minuten gemacht habe, aber irgendwie habe ich es geschafft, angezogen mit der Mappe auf dem Rücken zur Bushaltestelle zu sprinten. Keuchend und außer Atem setzte ich mich auf einen Platz am Fenster, auf den anderen stellte ich meine Mappe. Der Bus fuhr durch den dunklen Morgen. Auf einmal fielen mir die Augen zu. Erst als mich jemand an der Schulter berührte, wurde ich wach.

„Morgen,” hörte ich eine hohe und eine tiefe Stimme sagen. „Morgen ist erst Dienstag,” brummte ich den beiden entgegen.

„Ist alles gut bei dir? Du siehst niedergeschlagen und kaputt aus. Ist irgendwas passiert?”, kam es mir, wie fast jeden Morgen, von Max entgegen. „Ich erkläre es dir nochmal, Max Luis Eduard, mir geht es gut! Weder von dir, noch von Lisa oder gar von meinen Eltern brauche ich Hilfe, die Meinung oder ein Taschentuch zum Tränen trocknen. Mir ist einfach nur kalt und ich bin müde. Punkt! Aus! Ende!” Max setzte zu einem Widerspruch an: „Okay, dann halt nicht. Ich meine ja nur, dass du…” „MAX!”, fiel Lisa ihm ins Wort. „Es reicht! Dein schrecklich gebildetes Gequatsche hält ja kein Mensch aus! Viki hat gesagt, sie möchte keine Hilfe, braucht sie auch nicht. Natürlich sorgst du dich um sie, aber trotzdem musst du ihre Meinung akzeptieren, dass sie keine Hilfe und Ratschläge von dir will.” Funkstille. Nach einer Minute sah ich aus dem Augenwinkel, wie Max mich anschaute. Langsam drehte ich mich zu ihm. Nach ein paar Augenblicken bereute ich meine Entscheidung. Er schaute mich mit diesem “bemutternden” Blick an. Man, wie ich ihn manchmal hasste! Dieser Blick bedeutet so viel wie: Ich glaube dir kein Wort und du hast jetzt genau drei Sekunden Zeit, mir die ganze Geschichte zu erzählen, wie eine Mutter eben.

Tja, da kam ich dann aber mit meinem Blick, der so viel aussagte wie: Wenn Blicke töten könnten, wäre meiner der erste. Also lass mich in Ruhe und frag einfach nicht weiter nach.


Nach 10 Minuten fahrt, hielt der Bus knatternd vor unserer Schule. „Endstation meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie ihren Müll mit! Einen schönen und entspannten Tag wünsche ich allen!”

Schön und entspannt? Der Typ hat sie wohl nicht mehr alle! Wer geht den bitteschön gerne zur Schule? Welcher Depp hat Lust um 6 Uhr morgens aufzustehen? Und überhaupt ist Montag einfach der schlimmste Tag der Welt!

„Hey, tut mir leid, dass ich im Bus so blöd war. Ich habe mir einfach nur Sorgen gemacht, verstehst du?” kam es von Max. „Schon okay. Hey, was haben wir eigentlich in der ersten Stunde?” fragte ich mit erwartungsvoller Stimme. „Hm, lass mich überlegen… Ich glaube wir haben 2 Stunden Mathe und danach 2 Stunden Englisch.” NEIN! SCHEIBENKLEISTER!!! Bitte nicht Mathe und Englisch! Oh nein, mein Tag ist gelaufen! Bestimmt bekommen wir unsere Klassenarbeiten wieder. Ich schluckte und nickte ihm einfach nur entgegen. Ein wenig später saßen wir in der Klasse. Vorne an der Tafel stand Herr Ernst. Sein Name sagte viel über ihn aus. Er war immer, wirklich immer ernst und hatte immer nur den gleichen Gesichtsausdruck wo seine Mundwinkel nach unten und seine Stirn zusammengezogen war. So langsam glaubte ich, dass er mich echt nicht leiden konnte. Nicht nur weil ich schlecht in Mathe war, sondern auch weil er schon meine Mutter hatte, die ihn auch nicht ausstehen konnte. „Also, die Klassenarbeit war wie immer sehr schlecht…” fing er an. „… ich meine, wir haben so viel geübt, da kann man doch keine 5 oder 6 schreiben, oder?” Langsam näherten sich seine Schritte. „Junge Dame! Dieses Mal habe ich dir noch eine 5 aus Mitleid gegeben, aber beim nächsten Mal gebe ich dir eine 6, wenn die Leistungen nicht erbracht werden, die ich verlange! Ist das klar?”, fragte er mich mit hochgezogener Augenbraue. „Jap… Äh, darf ich bitte auf die Toilette?” Jetzt war mir heiß und schwindelig. „Ja, aber ganz schnell Fräulein!”

Langsam ging ich aus dem Raum und schloss die Tür.

Puhhhhh! Verdammt, was mach ich jetzt?! Schon wieder eine 5 in der Klassenarbeit. Wenn das so weitergeht, fliege ich noch von der Schule!

Tränen schossen mir in die Augen und ich fühlte mich einfach nur noch blöd. Auf einmal verlor ich den Boden unter den Füßen. Meine Augen fielen zu und ich wachte in einem Arztzimmer wieder auf.

Luisa Timm, Klasse 8c